Alle Jahre wieder häufen sich die Voraussagen, was wohl im kommenden Jahr im Bereich der Suchmaschinenoptimierung wichtig sein wird. Die Meinungen gehen auseinander, denn letztendlich weiß man schon so wenig wirklich darüber, welche einzelnen Faktoren sich gegenwärtig wie stark auf die Positionierung in Google auswirken, dass Voraussagen darüber noch mal eine Größenordnung unsicherer sein müssen. In Diskussionsforen zum Thema trifft man ständig auf Webmaster kleinerer Webseiten, denen man den einen oder anderen Rankingfaktor ans Herz gelegt hat, und die jetzt verzweifelt versuchen, die optimale Anzahl Schlagwörter im richtigen Rhythmus in ihre Texte zu quetschen, die 100 beim Google PageSpeed zu erreichen oder gar ihr WordPress-Theme danach auszuwählen, ob es den Webseitentitel als h1 formatiert oder nicht.

Sinnloses Mikromanagement

Kurz gesagt, diese Webmaster ergehen sich in sinnlosem Mikromanagement. Laut Google gibt es rund 200 Rankingfaktoren. Denken wir mal einen Moment darüber nach, was das bedeutet.

Wenn jemand eine Suchanfrage in Google eintippt, entscheidet ein Algorithmus anhand dieser 200 Faktoren darüber, welche Ziele im Internet diese spezifische Frage am besten beantworten. Wohl gemerkt, es geht nicht darum, welche Webseite insgesamt zum Thema die beste ist, sondern welcher Ausschnitt irgendeiner Unterseite die Frage beantwortet. Das kann durchaus ein einzelner Absatz sein. Es wäre illusorisch, auch nur den Versuch zu unternehmen, jeden einzelnen Absatz für jede denkbare Frage dazu zu optimieren.

Dazu kommt, dass eine Rechnung mit 200 Variablen keine einzelnen Variablen enthalten kann, die das Gesamtergebnis messbar stark beeinflussen, ohne dass sämtliche anderen Variablen praktisch bedeutungslos werden. Bei 200 Faktoren bleiben rechnerisch durchschnittlich 0,5% an Einfluss pro Faktor. Hätte nur ein einzelner Faktor 5% Einfluss, würde dieser bereits überdeutlich hervorstechen und wäre daher offensichtlich. Wären es gar drei oder vier, würden diese bereits fast von allein über den SEO-Erfolg entscheiden, und jeder wüsste das. Da aber keine einzelne SEO-Stellschraube so deutliche Veränderungen bringt, wenn man ausschließlich an ihr dreht, darf man davon ausgehen, dass jede Konzentration auf solche Einzel-Änderungen wirkungslos bleibt.

Nehmen wir zum Beispiel die hartnäckige Ansicht, dass es innerhalb eines Dokuments nur eine h1-Überschrift geben dürfe. Die Überschriften-Hierarchie von h1 bis h6 dient zur Gliederung des Textes, und eine klare Gliederung ist immer wünschenswert. Aber kann es wirklich sein, dass Google zu blöd ist, die auf jeder Unterseite auftauchende h1 mit dem Webseitentitel und die individuelle h1 mit dem Seiten- oder Beitragstitel voneinander zu unterscheiden? Wohl kaum. Die Überschriften helfen Google dabei, die Inhalte strukturell zu erfassen, mehr aber auch nicht. Was Inhalt ist und was nicht dazu gehört, kann Google sicher problemlos erkennen, und der ultimative Text zu einem bestimmten Thema wird sicher nicht deshalb abgewertet, weil der Verfasser es wagt, den Beitragstitel und den Seitentitel mit h1 zu bedenken.

Die falschen Fragen

Immer wieder tauchen in SEO-Foren Fragen wie die folgenden auf:

  • Wie oft soll ich mein Keyword erwähnen?
  • Darf ich mein Keyword auch woanders erwähnen?
  • Wie viele Links muss ich intern / extern setzen?
  • Wie viele Wörter sind zu wenig / genug / zu viel?
  • Wie kann ich beim Page Speed die letzten zwei Prozent rauskitzeln?

Ich halte aber eine solche Fragestellung schon für grundfalsch: Man sollte nicht überlegen, was einem selbst seo-technisch nützt, sondern was dem Besucher der Seite praktisch nützt. Wenn das im Zentrum steht, macht man automatisch das, was Google honoriert, denn das ist auch das, was Google stetig fordert.

Wenn man zu viel darüber nachdenkt, wie man den optimalen SEO-Spin drechselt, kommt am Ende mit Sicherheit ein unnatürliches Ding raus, das kein Mensch gerne lesen möchte. Und das ist es, was Google zu beurteilen versucht: Lesen Menschen den Text und finden ihn gut? Oder gibt es Zeichen, dass dem nicht so ist? Google erfasst längst nicht mehr nur statistische, also zählbare Informationen, sondern qualitativ-semantische – was will der Autor mit dem Beitrag sagen?

Ein Beispiel: Das nicht vorhandene Stichwort

Die Google Search Console ist eine hervorragende Quelle für Informationen darüber, welche tatsächlich in Google eingegebenen Suchbegriffe und -kombinationen dazu führen, dass eine Seite in Google-Suchergebnissen gelistet wird. Das Ziel ist es, für einen relevanten Suchbegriff möglichst weit oben auf Seite 1 in den organischen Suchergebnissen gelistet zu werden.

Hier ein Bildschirmfoto aus einer aktuellen Auswertung, gefiltert auf den Begriff „virenschutz“:

Stichwort "virenschutz" in der Google Search Console
Stichwort „virenschutz“ in der Google Search Console

Es fällt auf, dass das Wort „virenschutz“ alleine gar nicht vorzukommen scheint. Es handelt sich hier zwar nur um einen Ausschnitt der Tabelle, die insgesamt 34 Einträge hat, aber tatsächlich ist das Wort „virenschutz“ ohne weitere Wörter darin nicht zu finden. Suchen mit nur einem Stichwort führen selten zu vernünftigen Ergebnissen, sofern nicht globale Informationen zu einem Sachthema gewünscht sind, wie sie z.B. die Wikipedia liefert.

Des weiteren ist offensichtlich, dass sich alle hier gezeigten Kombinationen mit Ausnahme der zwölften auf Linux beziehen, Ubuntu und Mint sind Linux-Distributionen. Alle hier gezeigten Kombinationen verweisen auf meinen Beitrag über Virenscanner für Linux.

Die Tabelle scheint nahezulegen, dass der Beitrag auf den Begriff „Virenschutz“ optimiert ist. Alle 11 gezeigten Treffer, die auch zu Klicks geführt haben, befinden sich auf der ersten Seite, die beiden recht allgemeinen „braucht linux einen virenschutz“ und „linux virenschutz notwendig“ gar auf 1,0. Wenn Sie sich aber den Beitrag anschauen, werden Sie feststellen, dass das Wort „Virenschutz“ dort überhaupt nicht vorkommt. Die Silbe „viren“ taucht ca. 20mal auf (nach SEO-Regeln eigentlich viel zu oft), „schutz“ nur zwei Mal (viel zu selten) – und trotzdem rankt die Seite sehr gut dafür, solange es um Linux geht. Das zeigt, dass Google die Suchen semantisch korrekt einordnen kann – da es nicht um Windows 10 geht, ist die Suche aus Zeile 12 auch weit abgeschlagen auf Platz 76, also auf der Mitte von Seite 8.

Auch die Distributionsnamen kommen nicht oft vor,  „Ubuntu“ zwei Mal, „Mint“ gar nur einmal. „Linux“ hingegen kommt 44 Mal vor – SEO-Horror des Keyword-Stuffings, sollte man meinen.

Man sieht also, dass es gar nicht nötig ist, sich den Kopf zu sehr über einzelne Stichwörter zu zerbrechen. Googles Algorithmen sind klug genug, Inhalte semantisch zu bewerten, reine Statistik würde viel zu kurz greifen. Google versteht Synonyme (notwendig, nötig, brauchen) und wertet Seiten auch dann gut als Treffer, wenn das Suchwort selbst darauf gar nicht vorkommt.

Noch mehr SEO-Horror: Innere Konkurrenz

Gerne wird auch davor gewarnt, sich innerhalb einer Webseite selbst Konkurrenz zu machen – was genau das ist, was ich hier gerade mache. Wenn innere Konkurrenz, also mehrere Seiten, die auf die gleichen Keywords optimiert sind, wirklich ein Problem ist, dann sollte dieser Beitrag hier in Bezug auf den Suchbegriff „virenschutz“ dem älteren Beitrag irgendwann deutlich messbare Konkurrenz machen. Wenn aber Googles Algorithmen tatsächlich eher semantisch als statistisch arbeiten, sollte Google merken, dass dieser Beitrag nicht von Virenschutz für Linux handelt, und ihn deshalb nicht als Konkurrenz zu dem ursprünglichen Beitrag bewerten.

Das werde ich natürlich in einigen Wochen einmal prüfen und dann diesen Beitrag mit einem Update an dieser Stelle versehen.

Update am 6. Februar 2018
Einen Monat nach dem Veröffentlichungsdatum dieses Beitrags hat es in 28 Tagen 720 Impressionen meiner Seiten auf Google gegeben, nachdem eine Suchphrase das Wort „virenschutz“ enthielt. 713 Suchen (95 Klicks) führten zu dem Beitrag über Linux-Virenscanner, nur 7 (1 Klick) hierher. Interessanterweise sind sowohl die durchschnittliche Google-Platzierung (11,6 bzw. 11,4) und die Klickrate (13,32% zu 14,29%) beider Beiträge fast identisch. Die Suche deckt natürlich auch all die Begriffskombinationen ab, für die beide Beiträge nicht gut ranken, daher der Platzierungsdurchschnitt von nur etwa 11. Gemeinsam mit dem Begriff „linux“ sind es weiterhin die ersten drei Plätze.

Mein Fazit: Schreiben Sie für Ihre Leser

Wenn Sie ein Thema haben, über das Sie schreiben wollen, dann tun Sie das. Betrachten Sie Ihren Text nicht als Produkt einer Statistik. Argumentieren Sie für Menschen. Google wird das honorieren und Ihren Beitrag entsprechend listen – auch ohne SEO-Mikromanagement.

Nutzen Sie die Search Console als Fundgrube für Themen, wenn Sie Inspiration suchen. Wenn ich zum Beispiel Interesse daran hätte, die Position des zwölften Suchbegriffs aus der Liste zu verbessern, dann sollte ich einmal über Virenschutz für Windows 10 berichten. Auch hier würde ich darauf vertrauen, dass Google diesen Beitrag zuverlässig von dem über Linux-Virenscanner unterscheiden und einordnen kann.

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Ein Kommentar

  1. Hallo,
    vielen Dank für diesen Beitrag. Was mir besonders gefallen hat, ist die Passage mit dem Hinweis für die Leser zu schreiben, sich nicht nur auf die Keywords zu fokussieren, diese maximal als Quelle der Inspiration zu betrachten.

    In dem Zusammenhang habe ich mal einen Beitrag geschrieben zum Thema Keywords suchen und finden, Keyword Ideen nutzen, Keyword-Tools vorgestellt (http://www.pc-zu-hause.de/keywords-suchen-und-finden-keyword-ideen-nutzen-keyword-tools-vorgestellt/)

    viele Grüße
    Stefan

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